Erzberger

Erzberger
Ẹrzberger,
 
Matthias, Politiker, * Buttenhausen (heute zu Münsingen) 20. 9. 1875, ✝ (ermordet) bei Bad Griesbach (heute Bad Peterstal-Griesbach) 26. 8. 1921; Volksschullehrer, dann Redakteur, Mitglied des Zentrums, beteiligte sich 1899 an der Gründung der christlichen Gewerkschaften, erreichte als Mitglied des Reichstags (1903-18) die Verbesserung der deutschen Kolonialverwaltung.
 
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 trat Erzberger anfänglich für einen »Siegfrieden« (das heißt Annexionen nach einem militärischen Sieg Deutschlands) ein, wandelte sich aber im Laufe des Krieges zum Verfechter eines »Verständigungsfriedens« und setzte die Verabschiedung einer Friedensresolution des Reichstags (Juli 1917) durch. Er beteiligte sich maßgeblich am Sturz des Reichskanzlers T. von Bethmann Hollweg (13. 7. 1917. Innenpolitisch trat er für eine Verfassungsreform ein. Seit 3. 10. 1918 Staatssekretär o. G. (ohne Geschäftsbereich), unterzeichnete Erzberger nach dem Umsturz in Deutschland im Gefolge der Novemberrevolution (9. 11. 1918 an der Spitze einer deutschen Delegation am 11. 11. 1918 den Waffenstillstand in Compiègne. Als Reichsminister ohne Geschäftsbereich (ab 13. 2. 1919) überwachte er dessen Durchführung. In betontem Gegensatz zu Außenminister U. Graf von Brockdorff-Rantzau setzte sich Erzberger für die Annahme des Friedensvertrags von Versailles (1919/20) ein.
 
Als Reichsfinanzminister (ab 20. 6. 1919) führte Erzberger die bis dahin umfangreichste Reform der deutschen Finanzgeschichte durch (erzbergersche Finanzreform): 1) Aufbau einer einheitlichen Reichsfinanzverwaltung, 2) Neuregelung und Vereinheitlichung des Steuerrechts durch Zusammenfassung der bisherigen Steuergesetze der 26 Länder (v. a. Reichsabgabenordnung, Einkommensteuergesetz und erstmals ein gesondertes Körperschaftsteuergesetz), 3) Reform des Finanzausgleichs: Ersatz des Trennsystems (indirekte Steuern des Reiches, direkte Steuern der Länder und Matrikularbeiträge der Länder an das Reich) durch ein Verbundsystem mit Steuerüberweisungen des Reiches und prozentualer Beteiligung der Länder und Gemeinden an den ertragreichsten Steuern.
 
Wegen seiner Haltung 1917/18 war Erzberger Zielscheibe persönlicher Angriffe der antirepublikanischen Rechten. Von K. Helfferich in einer Broschüre »Fort mit Erzberger« (1919) angegriffen, strengte er gegen diesen einen Beleidigungsprozess (19. 1.-12. 3. 1920) an, nach dessen für ihn kompromittierendem Ausgang er als Reichsfinanzminister zurücktrat. Da das Gericht zwar den Tatbestand der Beleidigung bestätigte, aber eine Verquickung der politischen Tätigkeit Erzbergers mit der Wahrnehmung von Privatinteressen feststellte, sank das Ansehen der Weimarer Republik in großen Teilen der Bevölkerung sehr. Ab 6. 6. 1920 war Erzberger Mitglied des Reichstags; er wurde von Angehörigen der Organisation Consul ermordet.
 
 
Der E.-Prozeß. Stenograph. Bericht. .. (1920);
 K. Epstein: M. E. u. das Dilemma der dt. Demokratie (a. d. Engl., 1962);
 R. Morsey: Die Dt. Zentrumspartei 1917-23 (1966);
 A. Möller: Reichsfinanz-Min. M. E. u. sein Reformwerk (1971);
 T. Eschenburg: M. E. Der große Mann des Parlamentarismus u. der Finanzreform (1973).

Universal-Lexikon. 2012.

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